Anachronistisch

16. Mai 2023

Kürzlich war eine Möglichkeit für Aufnahmen beim Tanzen, genauer bei Hessen tanzt, einer Reihe mehrerer, teils internationaler Turniere in der Eissporthalle. So etwas hat immer eine ganz eigene Atmosphäre und dieses Mal waren es der Größe der Veranstaltung entsprechend viele Facetten und kleine Momente.

Es kommt nicht so oft vor, dass sich eine Gelegenheit ergibt, bei der wir dabei sein können, noch seltener so 'vor der Haustüre'. Mit der Zeit haben sich aber dennoch eine ganze Reihe von Bildern unterschiedlicher Anlässe ergeben, von denen eine Zusammenstellung in ihrer eigenen Rubrik zu sehen sind.

Mit der Neugestaltung der Fotoseiten und deren neuem Fokus auf jeweils nur eine, kleine, eher kurzlebige Auswahl sind diese Rubriken nicht mehr so leicht zugänglich wie zuvor. Zudem wechselt die Auswahl auch hin und wieder, was über die Zeit hinweg allerdings der Vielfalt innerhalb des Themas entgegenkommt.

Unter den Zuschauern macht nahezu jeder Videos oder Fotos mit dem Handy und es finden sich immer auch Leute, die mit recht viel Ausrüstung unterwegs sind, lange Brennweiten sind da die Regel. Fotografien auf Film sieht man in diesem Umfeld eigentlich überhaupt nicht und dasselbe gilt für Aufnahmen ohne Tele-Optik.

Es lässt sich eben einfach nicht so leicht an die Motive herantreten, wie ohne Teleobjektiv nötig. Zudem ist zum Fotografieren in Bewegung befindlicher Tanzpaare das Licht eher schlecht. Modernen Digitalkameras macht das nichts, aber für Aufnahmen auf Film sind die Lichtverhältnisse nahezu unmöglich. Entsprechend irritierte Blicke erntet, wer auf einer solchen Veranstaltung ohne 'professionelle' Ausrüstung mit einer Contax T2 herumläuft.

Wenn die Beobachter gewusst hätten, dass da obendrein Film in der Kamera ist, der 2019 abgelaufen ist, das Erstaunen wäre vermutlich komplett gewesen. Ich hatte noch Fuji Venus im Schrank gefunden und man lässt ja nichts verkommen angesichts der zunehmend schwierigeren Beschaffungslage. Der Film wird beklagenswerterweise inzwischen gar nicht mehr hergestellt. Aber das Thema Produktion von Filmmaterial ist noch einmal ein ganzes Thema für sich.

Jedenfalls mag geringe Ausbeute bei hohem Aufwand nicht die Formel für Effizienz sein. Aber sie ist die Voraussetzung, um eine ganz bestimmte Qualität zu erzielen. Auf diese Weise hergestellte Bilder unterscheiden sich gleich in zweierlei Hinsicht: Einerseits ergeben Optik und Film eine andere Anmutung. Zum Anderen liefert der weitere Bildwinkel mehr Kontext und wirkt dokumentarischer als es eine lange Brennweite abzubilden vermag.

Deshalb werden auch zukünftige Gelegenheiten zum Fotografieren auf Tanzveranstaltungen eher von diesen Aspekten geprägt sein, auch, wenn die Ergebnisse so dann vielleicht nur auf den hiesigen Fotoseiten zu sehen sein mögen.

Der Duden nennt für anachronistisch: "Nicht in eine bestimmte Zeit, Epoche passend und daher überholt; zeitwidrig".

So manches 'Überholte' besitzt Qualitäten, die vielleicht nicht in eine bestimmte Zeit passen, aber die betreffende Zeit auch durch deren Fehlen kennzeichnet, ja sie um jene Qualitäten ärmer macht. Es mag ein Zeichen von Vergänglichkeit sein, aufgrund fehlender kollektiver Erinnerung derlei Lücken nicht sonderlich zu spüren.

Bisweilen aber gelingt auch die Bewahrung überholt geglaubter Dinge und wir wollen glauben, dass es für die Fotografie noch nicht zu spät ist.